Persönliches:
- Zivilstand: ledig
- Kinder: keine
- Ausbildung: damals keine, heute Logistiker
- Wie lange im maxi.mumm: 9 Monate, nach einem Unterbruch nochmals ca. ein Jahr
- Wie lange wieder im ersten Arbeitsmarkt: dreijährige Lehre zum Logistiker absolviert, seit 1.5 Jahre Festanstellung
maxi.mumm: Wie kam es zu Ihrer Arbeitslosigkeit?
Herr F.: Ich war ein eher fauler Schüler. Meine Eltern liessen mich aber einfach machen, sie setzten nie Druck auf. Nach dem 10. Schuljahr folgten eine Zeit lang RAV, Anmeldung auf dem Sozialdienst und Gelegenheitsjobs wie Zeitung verteilen. Ich brauche nicht viel Geld zum Leben. Danach zogen wir um und ich fand eine Stelle im Sicherheitsdienst. Aus gesundheitlichen Gründen verlor ich dann aber diese Stelle und war wieder beim RAV sowie auf dem Sozialdienst. Meine Sozialberaterin meldete mich dann im maxi.mumm an.Ich wollte eine Lehre machen, deshalb machten sie eine Ausnahme und nahmen mich trotz meinen 27 Jahren noch ins «Jugendangebot» auf. Ich hatte aber ziemliche Anlaufschwierigkeiten. Nach neun Monaten hatte ich auch privat eine unruhige Zeit, was einen vorübergehenden Aufenthalt im Psychiatriezentrum Münsingen zur Folge hatte.
Als es dann wieder einigermassen ging, konnte ich zurück ins Jugendprogramm. Ich setzte mich wieder mit meinen Zielen einer Lehre auseinander. Die Zeit von einem Jahr Jugendprogramm fing wieder von vorne an, was für mich ein Glücksfall war: Ich brauchte die Zeit.
Die intensiven Gespräche mit meinem Coach vom Jugendprogramm zeigten mir plötzlich Perspektiven – Perspektiven für ein Leben, die ich vorher nie gesehen hatte. Ich war ja eigentlich mit meinem bisherigen Leben zufrieden, ich wollte ja gar nichts ändern. Mein Alter und meine Lebenserfahrung, so sagte mir mein Coach, seien bei einer Lehrstellensuche von Vorteil. Ich hätte also Chancen. Die enge Betreuung, die ehrliche Kommunikation und zugleich die freundschaftliche sowie kollegiale Art dieses Coaches stimmten für mich in einer Weise, die mir bewusstmachte, dass dies nun die letzte Chance für eine Lehrstelle sein wird. Gerade weil mir diese Perspektiven vor Augen geführt wurden, mir aber auch die Hürden ehrlich klargemacht wurden, entstand in mir die Kraft, es nicht nur schaffen zu wollen. Es entwickelte sich auch der Ehrgeiz, es gut machen zu wollen. Ich glaube, in diesem Moment wurde in meinem Kopf der Schalter umgestellt. Es machte «Klick» und ich wusste, dass ich mein Leben in die Hand nehmen will.
Ich sah im Jugendangebot viele Jugendliche und junge Erwachsene, bei denen ich mir die Frage stellte, wie die wohl durchs Leben kommen wollen. Die einen, die wollten – konnten nicht. Die anderen, die konnten – wollten nicht. Und dann gab es noch diejenigen, die nicht wollten und nicht konnten. Eigentlich waren es nur wenige, die wollten und konnten... Die Kontakte zu diesen verschiedenen Menschen-Gruppen im maxi.mumm waren sicherlich auch hilfreich, mich selber und meine Stärken zu erkennen. Aber schlussendlich war es dieser Coach, der es geschafft hatte, in mir das zu mobilisieren, was es brauchte.
Als ich dann die Zusage für die Lehrstelle bekam, war ich sehr erleichtert. Allerdings hatte ich auch grosse Bedenken, ob ich den Anforderungen der Berufsschule gerecht werden kann. Aber auch da bot mir das maxi.mumm an, die interne Bildungssequenzen so zu gestalten, dass ich bis zum Lehrbeginn an diesen Lücken arbeiten konnte. Dank all dem konnte ich von Anfang an den Anschluss finden, teilweise fühlte ich mich sogar unterfordert. Ich lernte bis acht Stunden pro Woche. Meine Vorschlagsnote nach dem zweiten Lehrjahr war eine 6!. Mein Ziel war eine Auszeichnung, ich schloss schlussendlich mit 5.3 als einer der Besten ab. Meine damalige Partnerin hatte an den Wochenenden immer mit mir gelernt. Sie arbeitete auf einer Gemeinde im kaufmännischen Bereich. Ich glaube aber, dass sie die Logistiker-Lehrabschlussprüfung auch bestanden hätte - so viel hatte sie mit mir gelernt. Es war toll, wie sie mich unterstützte. Leider erlebte mein Vater diesen ersten beruflichen Erfolg nicht mehr. Er war noch während meiner Lehrzeit an Lungenkrebs verstorben.
maxi.mumm: Was veränderte sich in Ihrem Leben mit der Arbeitslosigkeit?
Herr F.: Die Kollegen von damals sind auch noch heute meine Kollegen. Natürlich erkannte ich einzelne als solche, die mir nicht guttun. Von denen habe ich mich distanziert.
Meine Eltern machten wie gesagt nie Druck, sei es in der Schule oder bei der Berufswahl. Das war vielleicht ein Fehler. Ihre Aufmerksamkeit galt eher meiner kranken, behinderten Schwester. Sie liessen mich immer mein Leben leben, lernten mir jedoch dadurch, die Verantwortung und die Konsequenzen für meine Handlungen zu übernehmen. Ich bin sehr froh, dass ich trotz dieser grossen Freiheit nicht in die Drogenszene gerutscht bin. Obwohl mein Umfeld als ich zwischen 16 und 18 Jahre alt war regelmässig Drogen konsumierte, spürte ich nie das Bedürfnis danach.
maxi.mumm: Was waren die ersten Gedanken, als Sie vom maxi.mumm hörten?
Herr F.: Meine damalige Sozialberaterin meldete mich an, ich wollte aber gar nicht. Dass ich eigentlich dazu gezwungen wurde, stimmte mich am Anfang sehr negativ: Es hat mich wirklich «aagschisse».
maxi.mumm: Was war Ihre Motivation, zurück in die Arbeitswelt zu wollen?
Herr F.: Mein innerer Wille, etwas aus meinem Leben machen zu wollen. Aber wie gesagt, das gelang mir erst, als ich überhaupt eine Perspektive sah.Ich wollte immer schon mal das Meer sehen. Vor dem Start meiner Lehre reisten meine Partnerin und ich zuerst nach Prag und dann ans Meer. Ich erkannte so, dass solche Reisen möglich sind, wenn man das Geld dazu hat. Und dieses Geld für Ferien kommt halt nicht vom Sozialdienst, das kommt von einer Arbeitsstelle. Dann kann man auch darüber frei verfügen. Wenn man etwas erreichen will, muss man auch etwas dafür tun. Und etwas dafür tun kann man erst, wenn man von sich aus auch wirklich will: Das eigene Wollen ist zentral.
maxi.mumm: Wie konnte Ihnen das maxi.mumm bei Ihrer Integration in den Arbeitsmarkt Unterstützung bieten?
Herr F.: Ganz ehrlich: Ohne das maxi.mumm wäre ich nicht dort, wo ich jetzt bin!
maxi.mumm: Wie meinen Sie das?
Herr F.: Ich konnte nach der Lehre im Lehrbetrieb weiterarbeiten, nun sind es bereits anderthalb Jahre. In dieser Zeit musste ich an meinem Knie operiert werden. Dazu kam, dass meine ältere Schwester einen Tumor im Kopf entfernen musste und meine Mutter an Lungenkrebs beziehungsweise schlussendlich an einem Tumor im Kopf verstarb. Es war eine wahnsinnig emotionale Zeit für mich und meine jüngere Schwester. Ich war psychisch sehr gefordert. So wurde ich für drei Monate krankgeschrieben, weil ich mich neben der Betreuung meiner sterbenden Mutter nicht mehr auf die Arbeit konzentrieren konnte. Ich spürte Verständnis und Unterstützung durch meinen Arbeitgeber. Ich betreute meine Mutter die letzten zwei Wochen ihres Lebens rund um die Uhr bis zu ihrem letzten Atemzug. Nun bin ich verantwortlich für meine jüngere, behinderte Schwester. An den Wochenenden kommt sie immer zu mir und nicht mehr zu unserer Mutter.
Auch vier Jahre nach meiner Zeit im maxi.mumm habe ich noch Kontakt zu meinem damaligen Coach vom Jugendangebot. Dieser Kontakt hat mir über die offizielle maxi.mumm-Zeit hinaus im persönlichen, aber auch im arbeitsmarktlichen Teil sehr geholfen. Ich erinnere mich an eine Situation am Ende meiner Lehrzeit, bei der ich sehr down war. Gerade in diesem Moment erreichte mich eine WhatsApp-Nachricht von meinem Coach, mit der Frage, wie es mir so geht. Als ob er es gespürt hatte. Ich antwortete ehrlich. Ich war zu dem Zeitpunkt gerade am Grab meines Vaters. Er sass ins Auto und fuhr zu mir. Wohlverstanden: drei Jahre nach der Zeit im maxi.mumm! Ich glaube aber, dass man sich so ein Verhalten auch verdienen muss. Man muss es auch schätzen. Ich werde diesem Coach nie genug Dankbarkeit entgegenbringen können für das, was er für mich getan hat.
Natürlich habe ich noch weitere Ziele: Lehrlinge ausbilden, den Berufsbildner machen. Ich werde meinen beruflichen Weg weitergehen. Ich sehe mich noch lange nicht am Ziel. Ich will vorwärts kommen im Leben, Weiterbildungen machen.
maxi.mumm: Woher nehmen Sie diese Kraft?
Herr F.: Meine Mutter ist sicher ein grosses Vorbild für mich. Sie war die stärkste Frau, die ich kenne – abartig. Sie kämpfte ihr Leben lang für unsere Familie. Sie erledigte ein Arbeitsvolumen von 48 Stunden in einem Tag von 24 Stunden. Sie kümmerte sich um meine Schwester, sie kümmerte sich um meinen kranken Vater - unbeschreiblich!
Zudem helfen mir auch die Musik und mein Umfeld. «Frei.Wild» ist eine Deutschrock-Band aus der Gemeinde Brixen in Südtirol. Diese Musik hörte ich schon früher. Ich machte dann einmal Ferien in Südtirol und durfte die Band auch privat kennen lernen. Die Besuche dieser vier Bandmitglieder im Südtirol, mein neuer Töff, mein Umfeld… Diese Sachen geben mir meine Energie, meine Kraft.
Dank dem maxi.mumm habe ich gelernt, mit all diesen Situationen umgehen zu können, nicht aufzugeben. Aufgeben war für mich nie eine Option. Das Leben ist nicht einfach, aber schlussendlich entscheidet jeder selber, wie er es führen will.
maxi.mumm: Was war ihr Highlight im maxi.mumm?
Herr F.: Meine damalige Sozialberaterin wollte mich im zweiten Jahr aus dem maxi.mumm rausnehmen. Sie glaubte nicht, dass ich es schaffen würde. Ihr ging alles viel zu langsam. Ich machte mir dann einen Spass daraus, als ich die Zusage für die Lehrstelle bekam und liess sie beim nächsten Gespräch reden und reden… So von wegen: «Jetzt müssen wir andere Wege einschlagen. Ich glaube nicht, dass das hier im maxi.mumm noch irgendetwas für Sie bringt….» Ich genoss es, die grosse Neuigkeit für mich zu behalten, bis sie ihren 30-minütigen Monolog beendet hatte. Dann liess ich die Bombe platzen: «Ich habe eine Lehrstelle, und dies verdanke ich mitunter dem maxi.mumm!»
Sie war ruhig.
maxi.mumm: Wie sieht Ihre finanzielle Situation aus?
Herr F.: Ich bin schuldenfrei! Und ich bin mega stolz darauf. Ich konnte mir das Autobillet leisten, das Töffbillet und einen Töff. Ich habe gelernt, einen guten Mix zu finden zwischen nicht alles sofort ausgeben, sich aber auch mal etwas leisten und das Leben geniessen. Man weiss nie, wann es zu Ende ist.
maxi.mumm: Ihr Schlusswort in Bezug auf das maxi.mumm und die aktuellen Teilnehmenden:
Herr F.: Es sollte sich jeder und jede in den ersten drei Monaten die Frage stellen, wohin er oder sie eigentlich im Leben will. Wenn es anders als bisher verlaufen soll, dann nehmt die Hilfe an! Folgt euren Perspektiven und gebt nicht auf. Aber der eigene Wille ist das Zentrale.
Text: Manuela Bohrer